Rezension: Johannes Fresneau. Complete Works for Lute and Guitar, Jan W. J. Burgers (Hrg.), Lübeck

Nach den bisherigen Gesamtausgaben von Francis Cutting, John Johnson, Ernst Gottlieb Baron und dem Craan-Liederbuch, liegt bei TREE-Edition nun eine weitere Gesamtausgabe von Jan W. J. Burgers vor. Dabei handelt es sich um die Herausgabe sämtlicher Werke für Laute und Gitarre des in den Niederlanden lebenden französischen Lautenisten Johannes Fresneau. Die Edition der Werke begleitet dabei eine ausführliche, wie gut zu lesende Einführung in Leben und Schaffen des Komponisten.
Bisher wusste man kaum etwas über diesen Lautenisten, dessen Werke doch eine beträchtliche Anzahl von insgesamt 38 Stücken erreichen. Aufgrund Jan Burgers genauer und gründlicher Recherche erscheint nun aber ein Musiker vor uns, der nicht nur als Mensch absolut greifbar wird, sondern sich uns sogar mittels Autographen als Komponist erfahren lässt.In bloßen Umrissen seien einige von Jan Burgers Erkenntnissen wiedergegeben, um den Umfang und die Tiefe der Einblicke andeuten zu können.Das genaue Geburtsdatum konnte zwar noch nicht herausgefunden werden, allerdings steht fest, dass Johannes Fresneau im Jahre 1644 Anneken Asselingh, die Tochter des führenden Instrumentenbauers Andries Asselingh in Leiden geheiratet hat. Auch die Geburt einer Tochter ist überliefert, allerdings verlieren sich die Spuren der beiden danach wieder und sicher ist, dass sie vor Fresneau selbst starben. Desweiteren sind durch etliche Quellen genaue Auskünfte über die Geldgeschäfte und den Besitz des Lautenisten zu erfahren. Durch seine Arbeit als Lautenist und Lehrer desselbigen, sowie dem aufkommenden Modeinstrument Gitarre, führte er offenbar ein finanziell abgesichertes Leben und war in keinster Weise notleidend. Neben Besitzungen in Frankreich hinterließ er bei seinem Tod im April 1670 auch eine bemerkenswerte Instrumentensammlung: 12 Lauten, gute und schlechte (sic!), 2 Theorben, 2 Bässe, 1 Gitarre, 2 Cittern und 2 alte (sic!) Instrumente.Jan Burgers bearbeitet das Material genau, rücksichtsvoll und ohne es mit Interpretationen zu überladen; viel mehr wirft er aus der aufmerksamen Betrachtung und eingehenden Kenntnis der damaligen Zeit bedenkenswerte Fragen auf. Was die Qualität dieser wissenschaftlich-genauen Publikation desweiteren belegt und für alle Interessierten von großem Wert sein kann, ist die vollständige Wiedergabe der archivalischen Dokumente im Anhang. Doch trotz dieser gründlichen und transparenten Arbeitsweise bleibt diese Ausgabe durch ihre informative Übersichtlichkeit absolut nützlich für den praktischen Gebrauch. Es wäre wünschenswert, wenn es mehr dieser fruchtbaren Verbindungen von wissenschaftlich-kompetenter Aufarbeitung und gleichzeitig praktikabler Ausgewogenheit von Information und Musik in der Landschaft der Publikationen für die Laute gäbe. Überliefert sind uns Johannes Fresneaus Werke hauptsächlich in zwei Quellen: A-ETgoëssI und PL-Kj40626. Erstere stammt nachweislich aus den Niederlanden, möglicherweise aus Utrecht, und ist sehr wahrscheinlich im Kreise um Constantijn Huygens entstanden. Das zweite Manuskript enthält den größten Teil der Kompositionen von Fresneau, allerdings ist die Herkunft und Geschichte noch nicht nachvollziehbar. Viel wichtiger in unserem Falle ist jedoch, dass es Jan Burgers gelungen ist, sämtliche Stücke als Autographen des Komponisten zu erkennen. Durch diese Handschrift begegnet uns ein Lautenist, der möglicherweise seine eigenen Kompositionen aus dem Gedächtnis und für die Schüler aufgeschrieben hat. Das würde die vielen Varianten der einzelnen Werke und die immer wieder stark korrigierende und teilweise durchaus fehlerhafte Schreibweise erklären. Auf der anderen Seite sind uns dadurch aber auch glücklicherweise viele und sehr genaue Angaben zu dem Einsatz der linken und rechten Hand überliefert. All diese Details werfen an dieser Stelle allerdings die Frage nach der Notwendigkeit einer Übertragung in moderne Tabulaturschrift auf. Immerhin gibt Jan Burgers selbst zurecht den Hinweis, dass gerade aus diesen Gründen bei einer intensiveren Auseinandersetzung mit Fresneaus Musik ein Blick in die tatsächlichen Faksimlie-Noten empfehlenswert sei. Johannes Fresneaus Werk ist in dem für die französische Musik seiner Zeit so bezeichnendem style brisé komponiert. Die Mehrheit der Stücke steht in einem langsamen Tempo und ein Drittel des Gesamtwerks steht in fis-Moll, dem bei französischen Lautenisten durchaus beliebten ton de la chèvre. Was das geeignete Instrument für diese Musik betrifft, könnte angesichts der beachtlichen Auswahl an Lauten, welche Fresneau zur Verfügung standen, doch der Gedanke angestellt werden, ob einige der Stücke (je nach Tonart) denn nicht auch noch auf einer 10-chörigen Laute gespielt werden können? Klar ist jedenfalls, dass er einen Teil seiner Kompositionen für 11-chörige Laute geschrieben hat. In seiner Art der Verwendung von Akkorden, mit melodischen und durchaus gesanglichen Linien und dem sehr konzentrierten Einsatz höherer Register zeigt uns Fresneau eine ganz eigene Klangwelt auf der Laute. Johannes Fresneaus Musik lässt einmal mehr die beglückende Erfahrung zu, im Rahmen eines außerordentlich komplexen Stiles – der französischen Lautenkunst – unerwartete und überraschende klangliche Entdeckungen zu machen. 
Cornelia Demmer
Download here