Interview mit Prof. David Bergmüller

Richard Labschütz: Lieber David, Dich kann man durchaus als Lautensenkrechtstarter bezeichnen. Was waren die wichtigsten Etappen in deiner musikalischen Entwicklung?

David Bergmüller: recht jung Laute spielen zu beginnen und gleich an die Schola (Cantorum Basiliensis) zu gehen um zu Studieren war ein wichtiger Punkt. Das Interesse an der Musik und die Entscheidung, Musiker zu werden ist viel früher in Teams, wo ich Gitarre und E-Gitarre bespielt habe, gefallen, noch ohne zu wissen, was das heißt.

Ich habe auch L‘Orfeo von Monteverdi viel gehört und mir die Partitur gecheckt. Da habe ich noch gar nicht Laute gespielt. Konzerterfahrungen als Teenager hatte ich auch schon. Wichtig war für mich aber auch die ganze Musikgymnasialzeit und später die Professur.

RL: Haben dich in deiner Studienzeit mehr die Professoren oder das Umfeld mit anderen Studierenden geprägt?

DB: Beides, inspirierende Lehrer und das Umfeld.

RL: Welche pädagogischen Ansätze haben dich gefördert und was ist Dir heute beim Unterrichten wichtig?

DB: Ich habe das sehr individuell erlebt: Lehrer, die sehr individuell auf mich eingegangen sind und Kommilitonen. Die beste Entscheidung war für mich nach der Schola bei Hoppi (Hopkinson Smith) noch zu Rolf (Lislevand) zu gehen. Beide waren sehr unterstützend und waren die richtigen Lehrer zur richtigen Zeit. Es ist auch immer noch, dass ich, wenn ich selber spiele oder Stellen versuche zu entschlüsseln mir denke: ah, ja, Hoppi hätt das vielleicht so gesehen.

RL: Du beschäftigst dich sehr intensiv mit dem Lautenspiel auf historischen Zupfinstrumenten, zugleich komponierst und arrangierst du mit großem improvisatorischen Anteil auch im Bereich der Contemporary Music. Für Dich scheint das kein Spagat zu sein.

DB: Es ist ein Spagat, aber kein Widerspruch. Die Musik war immer zeitgenössisch, das ist wesentlich. Ein Gaultier hat zeitgenössische Sachen geschrieben, ein Kapsberger hat Sachen revolutioniert oder sich an Sachen gestoßen, die vorher nicht da waren. Ich würde mich nie mit denen vergleichen, aber im Prinzip mach ich das ja auch. Ich bezeichne mich nicht als Komponist oder Arrangeur aber es hat alles zu tun mit Klang suchen, einen Ausdruck in Musik suchen.

Ein wesentlicher Stein dazu ist die historische Aufführungspraxis. Ab dem, was aus dem Instrument kommt, geht es dann weiter: mit welchem Mikrofon in welchem Abstand klingt die Laute am besten und mit welchem Abhörgerät klingt sie am besten. Das sind Thematiken, die ein Kapsberger nie hatte, die aber für uns Hörer essenziell sind. Man kann ein Leben damit verbringen mit der Suche nach dem richtigen Mikrofon wie nach dem richtigen Tempo der Galliard (schmunzelt). Ich interessiere mich für alle Bereiche und versuche von Allem was für mein Spielen mitzunehmen.

RL: Du hast Dir, vielleicht auch auf Klangsuche, die Jakob Langenwalder Laute aus der Kremsmünster Sammlung nachbauen lassen: mit alter Decke aus dem Resonanzboden eines Hammerflügels und mit Ebenholzmuschel und nicht – wie das Original – mit Tannenholz?

DB: Ich mag als Spieler extrem die schnelle Reflexion und somit leichte Instrumente, die schnell ansprechen. Selbst eine Eibenmuschel ist mir manchmal zu träge. Ich pflege auch technisch einen sehr schnellen und leichten Anschlag und da sind mir harte Hölzer als Muschel lieber. Aber das ist alles sehr individuell.

Historische Information ist für mich eine der größten Inspirationen, darf aber kein Dogma sein. Ich würde sogar so weit gehen, historische Information ohne ästhetischen Wert zu erachten. Nur weil es alt ist, ist es nicht schön. Historische Aufführungspraxis ist auch eineSuche nach dem Klang, es kann aber auch noch weitergehen. Ich unterscheide auch nicht zwischen Continuo- und Soloinstrumenten.

RL: Du hast ja schon viel Erfahrungen als Continuospieler bei Barockopern als auch mit dem Haus der Kammeroper in Wien.

DB: Ja, 2013/14 habe ich das erste Mal hier gespielt. Es ist ein ganz feines Team hier. Opern spielt man als Lautenist ja ständig. Beim Anfang von meinem Lautespielen habe ich bereits in der Oper begleitet, auch dann im Studium: 6 oder 7 Poppeaproduktionen, L’Orpheo‘s waren nicht so viele, und natürlich noch einige Opern aus dem riesigen Barockopernrepertoire. Die Orchesterseite einer Opernproduktion war mir gut bekannt. Das ganze Klangkonzept kenn ich von der Laute: wie man Balancen macht, wie man Dissonanzen behandelt, wie man Musik gestaltet. Einmal habe ich auch die Assistenz bei einer L’Orpheo-Inszenierung innegehabt.

RL: Monteverdis Combattimento dauert nur gut eine Viertelstunde. Deine Produktion dieses Stoffes ist ein eineinhalb Stunden-Stück. Wie hast Du das angelegt?

DB: Monteverdi schreibt ja im Vorwort, dass man davor und danach Madrigale spielen soll. Somit wird das ein Abend um Cobattimento herum. Es ist wirklich ein Regietheaterprojekt. Hier sind Bilder, Gesten und Subtext wichtig. Wir beginnen opernuntypisch mit einem Madrigal.

RL: Welche Rolle spielt Elektronik in dieser Produktion?

DB: wir lassen uns mit virtueller Akustik elektronisch helfen, wenn es für uns und für den Affekt stimmig ist, weil sonst uns die Bedeutung verborgen bleibt. Eine Major Seven zu hören ist in unserer Zeit völlig normal und dass das eigentlich, unvorbereitet eingesetzt, etwas ziemlich Radikales ist, diese Faszination möchten wir mit einem Soundeffekt mit einem kleinen Delay verstärken. Oder von C-Dur nach E-Dur zu springen ist ja etwas völlig Außergewöhnliches, aber die Faszination ist uns verborgen als Pophörer und zum Beispiel Radiohead-Kenner.

Und zum lautenistischen Zugang: hier ist auch Intimität und Leisepielen, ein kultivierter Lautenklang gefragt. Intimität kann man nicht schreien. Wir müssen nicht so spielen mit Bäng und Bum dass man es auch in die letzte Reihe hört. So geht es auch beim Clavichord: es wird nicht lauter, sondern nur größer gemacht.

Der Raum bei der Uraufführung war ja auch wesentlich kleiner, da waren vielleicht zehn Leute drin. Du hast als Lautenist in einem heutigen Theater nur 10% deiner Range, nämlich 90-100%. Das Spannenende sind aber die 10-90% und die will ich hören.

Das ist das Konzept dahinter. Wir lassen uns da auch helfen bei einer Stelle, wo es auch laut werden darf, da gibt es auch Posaunen, die gespielt werden, eine große Orgel gibt es auch.

Wir haben keine verfremdeten, sondern virtuelle Instrumente. Loops machen wir selbst, es wird nicht aus der Konserve geloopt. Diese virtuellen Instrumente sind genauso mit Liebe und Empathie behandelt: es hängen da Effektketten dran, wo in der Vorbereitung so viel Zeit steckt, wie man es mit einem Ensemble proben müsste. Für eine schöne Posaune sitzt man unzählige Stunden …

RL: Ich danke Dir sehr für das Gespräch und wünsche Dir und dem Team einen großen Erfolg mit Cobattimenti!

Richard Labschütz