Combattimenti

Musiktheaterprojekt in der Kammeroper des Theaters an der Wien mit Musik von Claudio Monteverdi unter der musikalischen Leitung von David Bergmüller, 27.09.–18.10.2024

Vor genau 400 Jahren, im Jahre 1624, wurde im Palazzo di Girolamo Mocenigo Claudio Monteverdis dramatisches Madrigal Il combattimenti di Tancredi e Clorinda vor auserlesenen Gästen uraufgeführt und 14 Jahre später in Monteverdis achtem Madrigalbuch Madrigali guerrieri e amorosi gedruckt. Hier findet man das Stück als Höhepunkt dieses Druckes. In dieser Ausgabe bezeichnet Monteverdi  Il combattimento als ein Beispiel des genere rappresentativo.

Vermutlich aufgrund Monteverdis Anmerkung, es sei ein Beispiel des „darstellerischen Genres“ als auch der Tatsache, dass es vor genau 400 Jahre uraufgeführt wurde, trat das Theater an der Wien an David Bergmüller mit der Frage heran, ob er sich vorstellen könne, dieses gut 15 Minuten lange Werk als abendfüllendes Projekt zu konzipieren. Als Regisseur wurde Olivier Fredj hinzugezogen. Somit begann eine intensive Zusammenarbeit dieser beiden Künstler und es entstand ein überzeugendes Musiktheaterprojekt mit Monteverdis Musik:

Mit Hor che’l ciel e la terra beginnt es ganz still, David mit dem Arciliuto dem Publikum zugewandt, dann immer wieder Teile aus Il Cobattimento, verwoben mit dem berühmten Lamento d’Arianna, dem Lamento dell Ninfa, dem Madrigal Altri canti d’Amor sowie Dixit Dominus. Als Ausklang wiederum David dem Publikum zugewandt: ein stilles Ende, jedoch mit einer eingeblendeten Radiostimme mit aktuellen Schreckensnachrichten.

Die Inszenierung bewegt sich durch die Zeiten, da die Themen (unerfüllte) Liebe, Glaube, Kampf, Krieg und Macht zeitlos sind. Dieses Musiktheaterprojekt sieht sich mit Monteverdis seinerzeit bahnbrechender Musik vor dem Hintergrund immerwährender Kriege. Der Nahe Osten – bei Monteverdi/Tasso der Schauplatz des Kampfes zwischen Tancredi und Clorinda in einer Waldszene bei Jerusalem, steht bis heute für religiöse und weltpolitische Konflikte.

Ein überzeugender Abend mit großen musikalischen Affekten der sechs Sängerinnen und Sänger sowie den neun Instrumentalist*innen. Besonders hervorzuheben sind Luciana Mancini mit ihrem unter die Haut gehenden Lamento d’Arianna und Johanna Rosa Falkinger mit dem unglaublich berührenden Lamento dell Ninfa sowie der überzeugende Erzähler in Sprechgesang/Gesang Ferran Albrich.

Zu zwei Geigen, Gambe und Violone hörte man eine sehr überzeugende Continuogruppe: Cembalo, Orgelpositiv, Regal, Clavichord, Kirchenorgel sowie drei verschiedene Lauten und Barockgitarren waren mit Adriaan Lauwers, Jakub Mitrik und dem musikalischen Leiter David Bergmüller im Einsatz. Von tollen Chitarronenbässen getragen, war das akkordische Geflecht als auch die Diminuierungen in den hohen Lagen ein Ohrenschmaus. Besonders reizvoll, klangfarbenreich und aktuell klangen auch musizierte Bassi ostinati mit besonderer rhythmischer Prägnanz und Vielfalt und virtuosem Melodiereichtum in den Oberstimmen. Ein klanglich sehr delikates concertare zwischen Davids Laute und dem Clavichord von Alexander Gergelyfi erinnerte mich ein bisschen an das legendäre Album Friday Night in San Francisco mit John McLaughlin, Al Di Meola und Paco de Lucía. Mit wunderbar pointierten Rhythmen und großer klanglicher Vielfalt spielte Bernhard Schimpelsberger verschiedenste Percussionsinstrumente.

Diese überaus große klangliche und dynamische Vielfalt war durch fein abgestimmte elektronische Hilfsmittel möglich, die dem musikalischen Leiter sehr am Herzen liegen. Als Schlusssatz hierzu David Bergmüller: „Als Lautenist in einem Theaterprojekt hast du nur 10% deiner Range, die 90-100 nämlich. Die spannenden Prozent sind aber 10-90 und die will ich hören.

Richard Labschütz